Dienst an der Waffe
Ich war jugendliche 19, hatte mein Abitur – aus Faulheit – mit einer mittelmäßigen Note bestanden, und der Bund rief mich. Damals gab es noch die Wehrpflicht, mit der Option – wenn auch unter erschwerten Bedingungen – den Dienst zu verweigern. Ich wollte das, war Pazifist, und hätte lieber einen sozialen „Ersatzdienst“ angetreten.
Aber mein Vater wollte unbedingt, dass ich zum Bund gehe. Charakterbildung. Nationalismus. Tradition. Hat mich massiv unter Druck gesetzt und seine volle Autorität ausgespielt. Ich war damals kein durchsetzungsfähiger Mensch – und habe mich gebeugt.
Immerhin war es weniger der Dienst an der Waffe: als Sanitäter eingesetzt, nicht Panzergrenadier oder ähnliches, und als einziger Akademiker konnte ich dann dem technischen Offizier beim Bürokram helfen und ihn durch die Gegend fahren. Er hat das ausgenutzt und ich musste ihm auch Texte schreiben, über die er ein Referat halten sollte, da er in dieser Hinsicht nicht so helle war.
Grundsätzlich war es die schlimmste Zeit meines Lebens. Im Westerwald. Befehlston. Unterdrückung. Kulturlosigkeit. Drill. Furchtbare Menschen. Pflicht zu kurzen Haaren (das war Ende der Siebziger noch eine Schikane, die der Folter glich; heutzutage verpassen sich alle Jungendlichen gerne freiwillig einen Nazi-Haarschnitt). Ich habe dort auch gelernt, unglaublich viel alkoholisches zu trinken. Bei einem Schießwettbewerb habe ich als Bester den ersten Platz erreicht und eine Kiste Bier gewonnen! Ich hätte dort Karriere machen können, aber ich wollte es nicht, sondern so schnell wie möglich weg.
Immerhin, die Zeit war so schlimm und prägend, dass ich beschloss, niemals wieder auf andere zu hören und nur noch das zu machen, was ich für richtig finde. Ein Schlüsselerlebnis. Ich habe mich dann für verschiedene Studiengänge beworben und bin an meinem Wunschort – Berlin, möglichst weit weg, möglichst große Stadt – angenommen worden (Marburg war auch dabei – Glück gehabt!).
Da das Semester früh anfing, konnte ich noch mehrere Monate Sonderurlaub bei der Bundeswehr rausschlagen und damit das Martyrium frühzeitig beenden. Berlin war dann der Rahmen für die eigentliche Selbstverwirklichung. Die achtziger Jahre haben mich entsprechend geprägt. Dazu später mehr.
Schlussfolgerung im Nachhinein: Es sind auch negative und beschissene Erlebnisse, die einen weiterbringen. Man muss nur die Konsequenzen daraus ziehen.